Vom Haltepunkt Adorf/Erzgebirge geht es ca. 1km leicht bergauf in Richtung Vereinshaus. Neben dem Kulturverein nutzt auch der Geschichts- und Ortsverein die Räume. Mit dessen Vorsitzenden, Herrn Rößler, bin ich 18 Uhr verabredet. Drei hell erleuchtete Fenster laden mich zum Näherkommen ein – ich erblicke ca. 15 Männer und zwei Frauen an einem großen Tisch.
Frau Arnold, eine der Frauen in der Runde, geht mit mir in die erste Etage. In dem gut beheizten Raum wird in ca. 30 Minuten der Adorfer Frauenchor proben. Frau Arnold erzählt, dass Sie erst vor zwei Stunden von meinem Besuch erfuhr. Sie ist aufgeschlossen und interessiert. Sofort fallen ihr andere Personen ein, die ebenso Auskunft geben könnten. Am besten von jeder Abteilung. Sie selbst war von 1981 bis 1991 Meisterin der Endkontrolle im Werk 3 in Adorf. 8500 Schirme wurden pro Tag gefertigt. Weiter erfahre ich, dass der VEB Schirmfabrik Karl-Marx-Stadt der einzige Finalproduzent von Regenschirmen in den sozialistischen Staaten (außer Sowjetunion) war.
Die Tür öffnet sich und eine Frau, zum Chor gehörend, betritt den Raum. Unser Gespräch bleibt ihr nicht verborgen. Sie wirft ein, dass jeder Adorfer noch Schirme und Beutel besitzt. Sie sei die Tochter von Claussner, H., die zuvor Meisterin der Endkontrolle war.
Nach und nach sammelt sich der Chor und Frau A. begrüßt einige Frauen euphorisch mit „Da ist noch eine Schirmfabrik!“. Die Frauen sind überrascht und so unmittelbar mit meinem Anliegen konfrontiert. Eine Frau öffnet ihre Handtasche und zeigt einen Regenschirm, eine Andere trägt einen selbst genähten Beutel – die Dreiecke sind deutlich zu erkennen. Ein weiterer Beutel mit Sekt steht auf einem Tisch. Die Frauen stellen ihre Produkte nicht zur Schau, sondern tragen diese mit einem Selbstverständnis, dementsprechend authentisch empfinde ich die Situation. Viel Zeit habe ich nicht mit ihnen zu sprechen. Der Chor beginnt pünktlich. Einigen gebe ich noch die Ausdrucke. Ich erfahre auf halber Treppe, dass fünf Busse täglich mit Arbeiterinnen aus Karl-Marx-Stadt gekommen sind und niemand damit gerechnet hätte, dass 1991 Schluss ist. Frau Arnold verabschiedet sich mit den Worten, dass Sie zu den meisten Frauen aus dem Chor Kontakt hat und es kein Problem wäre, diesen herzustellen.
Noch voller Eindrücke aus Adorf, melde ich mich am nächsten Tag bei der Inhaberin vom Schirm Gey. Die 14 Tage sind vergangen und wie ich erwartete, kann sie mir bei der Suche nicht weiterhelfen.
Kommentar von E.Strangfeld
Schirmfabriken gab es nicht nur in der DDR und der UdSSR, sondern auch in Polen und der CSSR. In Polen gab es zwei (Warschau und Czestochowa) und in der CSSR eine in Prag. Von allen 3 Firmen waren Delegationen zu unserem 40. Firmenjubiläum anwesend.
23.02.2021