Vielleicht vier, fünf Mal ist es mir bisher beim Fotografieren von Schirmbeuteln passiert, dass ich Frauen treffe, die in der Schirmfabrik gearbeitet haben. So auch Frau O.
Wir unterhalten uns etwa zwanzig Minuten über ihre Tätigkeit in Adorf. Von 1974 bis 1976 lernte Frau O. Bezugnäherin und hat bis 1990 jeden Tag Schirmstabspitzen an die Bezüge genäht.
Um die Facharbeiternorm zu schaffen musste sie 36 „Karten machen“.
Sie erhielt pro abgearbeiteten Kasten eine Karte. In einem Kasten befanden sich 15 Schirme. Besser war es natürlich, mehr als 36 Karten zu schaffen. Je nachdem wie man drauf war, schaffte man 40-42 Karten täglich.
Rechne ich das mal durch. Ein Schirm hat acht Schirmstabspitzen, macht pro Kasten 120. Am Tag sind das bei 40 Karten 4800 einzeln in die Hand genommene und an die Bezüge genähte Schirmstabspitzen. Bei einer Produktionsmenge von 8500 Schirmen täglich mussten 68000 Schirmstabspitzen angenäht werden. Wenn eine Arbeiterin 4800 schaffen kann, wären in der Abteilung etwa 14 Frauen damit beschäftigt gewesen, den ganzen Tag Schirmstabspitzen an die Bezüge zu nähen.
Am Roten Turm hielt der Bus, mit dem Frau O. früh nach Adorf und nachmittags zurück fuhr. Im Winter kam es einmal vor, dass der Bus den Stollberger Hang wegen Glatteis und Schnee nicht hochkam, da musste sie von Adorf nach Chemnitz laufen.
Heute trifft sie hin und wieder zufällig einige ihrer ehemaligen Kolleginnen in der Stadt – Frau Munzert, Frau Speck und Schwester Rosi. Ich solle ihnen Grüße von Karla bestellen.