Wegen der Corona-Pandemie und den damit verbundenen Kontakt-beschränkungen musste ich die für April geplanten Interviews verschieben. Von der Möglichkeit diese telefonisch zu führen, sah ich ab. Ich brauche den persönlichen Kontakt mit meinen Gesprächspartner/innen – mit Blicken und Gesten.
In der Zwischenzeit arbeitete ich an Notizen für die Blogeinträge, an Audiotranskriptionen erster Gespräche, begann mit einer Serie von Zeichnungen und gestaltete eine Postkarte, die die Frauen über das Blog informieren soll.
Heute ist der 5. Mai. Zwei Monate habe ich mich nicht mehr soweit von Chemnitz entfernt. Blühende Rapsfelder säumen die Bahnstrecke. Der Weg zum Vereinshaus hat sich mit dem Frühling verändert. Es ist grüner geworden und die Hecken lassen kaum noch Blicke in die Grundstücke zu.
Ich sehe einen Briefträger und frage mich, ob die 15 Karten, die ich gestern abgeschickt habe, heute schon in den Briefkästen der Frauen stecken?
Frau Arnold treffe ich als Erste. Sie hat die Karte noch nicht erhalten. Ich gebe ihr ein paar mitgebrachte Exemplare. Wir unterhalten uns über das Motiv.
Es ist das gleiche, das ich für das Blog verwende und zeigt den Stoff, den ich im Februar fotografiert habe.
„Das was sie hier auf dem Bild sehen, wäre nie als 1.Wahl durchgegangen. Ich konnte als Endkontrolle nicht Auf- und Zumachen, nicht Hingucken und weg. Fehler durften nicht passieren.“
99% der Schirme sollten als 1.Wahl in den Versand gehen. Auf jeden kontrollierten Schirm wurden Nummern geklebt. Die Endkontrolle hatte die „A“ und jede Kollegin aus dem Bereich eine andere Nummer, erzählt Frau Arnold. Somit konnte man nachvollziehen, wer großzügig kontrolliert hat und wem Fehler durch die Lappen gegangen sind, denn die Schirme wurden später im Versand durch die Qualitätskontrolle in Stichproben nochmals geprüft.
Das erklärt die kleinen Aufkleber auf meinen ersteigerten Regenschirm.
Frau Weißbach, TKO-Leiterin (Technische Kontroll Organisation) für Konfektion und meine zweite Gesprächspartnerin an diesem Tag, zieht zur Begrüßung die zugestellte Postkarte aus ihrer Tasche: „Die ist heute gekommen. Dann gibt man das so wie es hier drauf steht ein www.adorferfrauen.de und das ist dann wohl unsere Seite? Mein Sohn ist da ja perfekt. Ich gucke solche Seiten sonst gar nicht.“
Auch sie zeigt im Gespräch beim Erläutern der Arbeitsabläufe auf die Karte und macht eine Anmerkung. Die acht, früher zehn Teile eines Schirmbezuges wurden nach Farbcharge und Muster sortiert. Die durchgesehenen Packs gingen dann in die Näherei. Die Näherinnen mussten versuchen, die Teile, auch bei kleinen Abweichungen, exakt zusammenzufügen. Der Schirm sollte perfekt aussehen. Sobald es einen Fehler gab wie hier, sie zeigt auf die Karte, war es dann 2.Sorte bzw. 2.Wahl und wurde aussortiert.
Die ausgemusterten Bezugsstoffe konnte man für 5M in der Lehrwerkstatt kaufen. „Damit konnte man sich selbst mal einen preiswerten neuen Bezug draufmachen. Auch die Leute, vor allem Verwandte, kamen: kannst du uns nicht mal den Schirmbezug erneuern. Es war bei uns kostengünstiger, als wenn man nach Siegmar zum Schirm Gey gegangen ist und der hätte vielleicht 20M verlangt.“