Aus der Zeit

Ursprung meiner Suche ist die Akte aus dem Staatsarchiv Chemnitz: Im Laufe der Zeit begegne ich dieser anders. Nach ersten Gesprächen mit den Frauen und damit verbunden Wissensaneignung wird der Inhalt lebendiger. Es gibt immer wieder Querverweise, auf die ich stoße. In einem Dokument zur Leipziger Messe lese ich über das Dessin in folgendem Abschnitt:

Bezüglich der Schirmseidendessins muß gesagt werden, dass zwar die Spezifikation im vollen Umfang erfolgten, das aber die Musterung bei Damenschirmseide wegen fehlender Bordüren, v.a. Blumenbordüren bemängelt wurde. Bei Herrenschirmen werden nach wie vor neben den Unifarben schwarz, dunkelblau und dunkelgrau, dunkle kleingemusterte Dessins verlangt. Noch während der Messe [Frühjahrsmesse 1989] erfolgte eine erste Auswertung mit dem Gestalter des VEB Greika Greiz, Gen. Sünderhauf.
[Sächsisches Staatarchiv, Staatsarchiv Chemnitz , 31086 VEB Schirmfabrik Karl-Marx-Stadt]

Im Gespräch mit Frau Weißbach fiel bereits der Name Sünderhauf. Sie hat leider keinen Kontakt zu ihm und wisse auch nicht, ob er noch lebt. Neben der Greika war auch der VEB Palla Meerane Produzent für die Schirmstoffe. Dort wurden Webmuster aus Viskose, z.B. Karomuster für Herren-und Streifendessins für Damenschirme, hergestellt bzw. gewebt. Später, erzählt Frau Weißbach, als sie 1967 mit 16 Jahren in der Schirmfabrik angefangen hat, kamen Blumenmuster auf. „Das war ganz was Neues. Alle haben sich gefreut, diese schönen bunten Schirme, gerade wenn der Himmel grau ist und Regen fällt. Das macht gleich ganz andere Laune.“ Die Stoffe waren aus Polyester. Für jedes Dessin gab es bis zu sechs verschiedene Colorits.

Ich möchte mehr über die Stoffe und Muster erfahren und recherchiere in diesem Zusammenhang den Namen Sünderhauf im Internet. Niemand mit diesem Namen in Greiz. In Verbindung mit der Greika taucht der Name Werner Kick auf. Ich finde eine Telefonnummer und frage, ob ich mit dem ehemaligen Geschäftsführer spreche. Er bejaht und ich berichte kurz von meiner Arbeit und dass ich nach einem Herrn Sünderhauf suche. Er hat ihn schon Jahre nicht mehr in der Stadt gesehen. Auch er sagt, dass 30 Jahre vergangen sind.

Über Konrad Wiedemann, Stadtführer und Vorstand im Verein Technische Zeitzeugen Greiz, gelange ich an einen Herrn Dietz. Herr Dietz war als Technologe für die Ausrüstung der Stoffe verantwortlich, also das die Seide so behandelt wurde, dass sie wasserabweisend (abperlend) ist. Herr Sünderhauf ist, soweit Dietz weiß, verstorben. Aber er kennt noch Herrn Hildmann, den ehemaligen Abteilungsleiter der Druckerei in der Greika Greiz. Am Telefon erwähne ich den Begriff „Gründeldruck“, den ich im Zusammenhang mit der Schirmseide gelesen habe. Ich vernehme ein Lächeln, obwohl ich meinen Gesprächspartner nicht sehe und erfahre, dass er und Herr Hildmann Erfinder dieses Verfahrens sind. Punktlandung denke ich.

Zwei Zeitungsartikel aus der Ostthüringer Zeitung von 2010 werden mir in der Suchmaske angezeigt, ergänzt mit einem Foto, welches Herrn Hildmann und seine Bestände, einen aufgespannten Regenschirm und bedruckte Stoffe im Vordergrund, zeigen. Es ist etwas schwierig seine Anschrift zu ermitteln. Ich schreibe einen Brief und hoffe, dass dieser den Richtigen erreicht. Nach ein paar Tagen erhalte ich einen Anruf mit einer Greizer Vorwahl. Herr Hildmann bedankt sich für den Brief und betont, dass es nur einen Hildmann in Greiz gibt. Er würde mir demnächst den Zeitungsartikel aus der OTZ von 2010 schicken. Sofort kam er ins Plaudern, erzählt mir von einer Walze mit 1000 Punkten, die Farbe vortäuschen sollte und man sich so den Vorgang des Färbens gespart hat. Er nennt mir die unterschiedlichen Stoffbreiten für Kinder-, Damen-, und Herrenschirme. Ich möchte alles genauer wissen und wir verbleiben, dass wir uns in Greiz treffen.