Segen fürs Dorf

In Adorf stehen einige Häuser, die um 1900 erbaut wurden. Sie reihen sich an Bauernhäuser, Fabrikgebäude, Mehrfamilienhäuser und Neubauten die Hauptstrasse entlang. Frau Arnold erklärt die unterschiedlichen Bauweisen mit einem Bevölkerungszuwachs im 19. Jahrhundert. In Adorf hat sich zu dieser Zeit die Strumpfindustrie entwickelt.

Einige Frauen, die bis 1963 in der Strumpffabrik gearbeitet haben, wurden 1964 von der Schirmfabrik übernommen und lernten nochmal um. Sogenannte Anlernlinge, also Teilfacharbeiter, erzählt Frau Munzert, die dann Jahre geblieben sind.
Man kann sagen, dass  dreiviertel aus Adorf dort gearbeitet haben, so Frau Hielscher. Die Adorfer waren froh über Arbeit. Auch für die Frauen aus den Nachbarorten war es durch die Werksbusse günstig. Als Frau Hielscher mit ihrer Ausbildung begann, brachte sie der Bus von Harthau nach Adorf, nun lebt sie seit 49 Jahren dort.
Die Mädchen aus der halben Klasse arbeiteten dort, erzählt Frau Stritzke. Auf der Fahrt nach Karl-Marx-Stadt zur Berufsschule fühlte sie sich an Schulausflüge erinnert. Wir waren damals mit 33 Schülern in so einem kleinen Dorf starke Klassen und dann sind wir von der Schule, achte Klasse, runter. Sie waren fünf Geschwister und der Vater schickte sie zum Arbeiten in die Fabrik, um Geld zu verdienen, ergänzt Frau Stritzke.
Wir waren als einzige Schirmfabrik anerkannt, auch wenn einige nicht wussten wo Adorf liegt, kam sofort: Ah! Schirmfabrik! Manche sagten auch -erzgebirgisch- Schirmbud. Aber es war keine Bud, wir waren eine hochleistungsfähige Firma, so Frau Aurich.
Der Betriebskindergarten in der Villa neben der Schirmfabrik sicherte die Unterbringung der Kinder ab, berichtet Frau Lehmann. Nachdem sie drei Jahre mit ihrem Kind zu Hause war, entschied sie sich deshalb in der Schirmfabrik zu arbeiten. Frau Lehmann arbeitete von 1973 bis zur Wende erst als Durchseherin, später im Zuschnitt. Im Sommer fuhr sie mit dem Fahrrad und im Winter mit dem Bus von ihrem Wohnhaus zur Arbeit. Wir hatten ein preiswertes Mittagessen, 65 Pfennige kostete es. Mal hat es geschmeckt, mal nicht, erzählt sie, man wurde als Frau rund um die Uhr versorgt. „Und wie du deine Arbeit gemacht hast, ordentlich schon. Die eine war eben schneller, die andere langsamer, aber eigentlich waren wir alle zufrieden und nach der Arbeit sind wir wieder durchs Dorf runter gelaufen.“ Sie hatten auch eine Betriebsverkaufsstelle: „Frau Knappe hat jeden mal zwei Bananen gegeben, wie das nun so war zu DDR-Zeiten. Mal hat man zwei gekriegt, wenn du ein Kind hattest, hast du drei gekriegt. Dort hast du gleich mal Butter und Mehl und Zucker und Zeugs gleich mitgenommen. Spee, wenn’s das gab, hast du mitgenommen. Dann hast du dein Fahrrad voll gehabt und brauchtest nicht nochmal in den Konsum.“
Frau Lehmann erzählt von Frauen, die, nachdem sie geheiratet haben, in der Stadt zum Arbeiten geblieben sind. „Aber als Beispiel die Sonja. Sie kam mit zwei Kindern aus der Stadt. Früh um fünf ist sie aufgestanden, zum Bus, die Kinder in den Betriebskindergarten, dann in Leistung gearbeitet. Sie war zwölf Stunden unterwegs und musste dann zu Hause noch den Haushalt machen. Sie hätte sicher was in der Stadt gefunden, aber es kam für sie nicht in Frage zu kündigen. Wir waren ein fester Stamm. Ich bin nicht einmal früh auf Arbeit gekommen und dachte, der Mist schon wieder. Immer mit Freude und das macht es doch aus!“